Die Sarmaten und die Vorsehung
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Musée Palais de Wilanów

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Die Sarmaten und die Vorsehung
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Eines der spezifischen Merkmale der Kultur und Mentalität der Szlachta Ende des 16. Jahrhunderts und über das gesamte 17. Jahrhundert hinweg war ihre Überzeugung von der besonderen Obhut Gottes über die Rzeczpospolita, die polnisch-litauische Adelsrepublik. Nach Ansicht der Sarmaten, wie sich die Angehörigen des Adelsstandes selbst bezeichneten, spielte ihr Land eine besondere Rolle in der Arena der Geschichte. Zu betonen ist, dass der Begriff des Sarmatentums nicht mit dem Begriff „Barock“ gleichzusetzen ist, auch wenn es hier gewisse Berührungspunkte gibt.

Die Konzeption der Vorsehung (lat. providentia) entwickelte sich sowohl im antiken Griechenland und Rom als auch in der judaistischen Kultur. Die antiken Stoiker und heidnischen Neuplatoniker verstanden die Vorsehung als lebendige Person Für die Stoiker war sie gleichbedeutende mit dem Fatum und der umgebenden Welt. Die Schüler des Philosophen Plotin wiederum fassten die Vorsehung als eine Art göttlicher Energie auf, wobei sie darauf hinwiesen, dass es in diesem Sinne mehr als nur eine Vorsehung gibt. Die christliche Philosophie stand seit jeher auf dem Standpunkt, das Gott, verstanden als Person, sich um jeden Menschen kümmert und zugleich Herrscher der ganzen Welt ist. Das Wort „Vorsehung“, begriffen als persönliches Merkmal, begann als Pars pro toto zu funktionieren und wurde so zu einem Synonym für den Begriff „Gott“. Die theoretische Begründung des Glaubens an die göttliche Vorsehung, der Ansicht, dass Gott in das Weltgeschehen eingreift, ist in den Schriften des Augustinus (De civitate Dei) und Boethius (Consolatio philosophiae) enthalten.

Boethius war einer der am häufigsten gelesenen Autoren der Spätantike. Der Dichter Mikołaj Sęp Szarzyński (um 1550 - 1580) schrieb in seinem 1. Gesang Über die Göttliche Vorsehung: „Nicht der Zufall regiert die menschlichen Dinge“. In Anspielung auf Boethius beklagt er sich in seiner Bitte an Gott über Fortuna, die unberechenbare Göttin, die dem Menschengeschlecht schade.

Im 17. Jahrhundert entwickelte sich die Überzeugung von der Ähnlichkeit des Adelsvolks zum biblischen auserwählten Volk. Diese Anschauung, der Messianismus, war eng verbunden mit dem Glauben an die Vorsehung. Die Anknüpfungen an das Alte Testament, die in den Werken des Priesters Piotr Skarga (1536 - 1612) sichtbar waren, sollten unter anderem der Hebung der Moral dienen. Elemente der messianistischen Philosphie lassen sich bei Szymon Starowolski (um 1588 -1656) beobachten, einem der bedeutendsten Autoren der Barockzeit. In dem 1655 entstandenen Lamento der kummervollen Mutter der Polnischen Krone schrieb er: „Denn welches Volk der Erde versteht schon so viel über sich selbst wie meine Lachen? Wer liebt sich selbst mehr als Ritterstand der Krone?“ Die schwierige Situation, in der sich die Adelsrepublik befand, erkannte Starowolski als verdiente Strafe Gottes für die zahlreichen Verfehlungen der Szlachta. Zugleich sah er die Möglichkeit, ihr Geschick zu ändern, sofern die Sarmaten zu ihrer alten Sittlichkeit zurückfänden: „Und die Söhne dieser edlen Krone, in viele Länder zerstreut, beschenke gnädig mit dem ersehnten Frieden, nachdem du sie ins Vaterland zurückgeholt hast“, wendet sich das personifizierte Polen an den Herrgott.

Der Glaube an die Vorsehung fand zudem seinen Ausdruck in der besonderen Verehrung der Muttergottes, die 1656 von Johann Kasimir in seinen „Lemberger Gelübden“ zur Königin Polens ausgerufen worden war. Auf einem aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts stammenden Gemäldes eines Malers auf dem Tschenstochauer Klarenberg (Jasna Góra) sehen wir Maria, die mit dem Bückler die Pfeile der Dämonen von den Menschen abwehrt, die ihre Hoffnung in sie setzen. Die Marienfrömmigkeit nahm jedoch häufig devote Formen an, die nicht selten im Widerspruch zu einer vertieften theologischen Reflexion stand.

Die erfolgreiche Verteidigung des Klosters auf dem Klarenberg wurde als sichtbares Zeichen der Göttlichen Vorsehung und unmittelbare Intervention Mariens gedeutet. Der Sieg Sobieskis über die Türken fügte sich ein in die Überzeugung von der besonderen Rolle der Adelsrepublik als Bollwerk der von den Heiden bedrohten wahren Religion (Antemurale christianitatis). Wespazjan Kochowski hielt den Triumpf für „göttliche Fügung“. In seiner Polnischen Psalmodie erinnerte er an Kaiser Konstantin, der mit dem Kreuzeszeichen auf den Standarten siegte und brachte den römischen Kaiser mittelbar mit dem polnischen König in Verbindung (Psalm VII). Die Überzeugung von der übernatürlichen Sanktionierung der Verfassungsregeln mit dem Liberum veto an der Spitze, begann mit der Zeit zu einem probaten Argument für die Anhänger der Aufrechterhaltung der sich vertiefenden Anarchie zu werden.

Die Sarmaten glaubten, dass Gott nicht nur über die ganze Welt herrscht, wobei ihr Land unter seiner besonderen Protektion steht, sondern sich auch um die einzelnen Menschen kümmert. Kochowski erkannte eine „unerreichte Vorsehung“ in seinem individuellen Dasein (Psalm IV). Über die göttliche Vorsehung im Leben des biblischen Tobias und seiner späteren Gemahlin Sarah, schrieb Stanisław Herakliusz Lubomirski (1641–1702) in seinem Befreiten Tobias. Den Titelhelden begleitet der Erzengel Raphael, der „in weiten Worten / alle Göttlichen Vorsehungen / dem Tobias enthüllte“.

Ein Regierungsgesetz von 1791 setzte den 8. Mai, den Tag des heiligen Stanislaus, als Feiertag der Vorsehung ein.

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