An den Grundmauern der Heiligen Liga
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Musée Palais de Wilanów

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An den Grundmauern der Heiligen Liga
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Der Kenner der polnisch-russischen Beziehungen Zbigniew Wójcik stellte fest, dass Sobieski, indem er die Verschiebung der Ratifizierung des in Moskau im Februar 1686 ausgehandelten Abkommens erzielte, noch im Sommer 1686 damit rechnete, die Erfolge seines Moldau-Feldzugs würden die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit den Russen aus einer Machtposition ermöglichen. Die Kampagne im September endete mit Niederlage und nach der Rückkehr von der Front ratifizierte der König einen Vertrag, der als das „Grzymułtowski-Abkommen” in die Geschichte einging. Einer Quellenüberlieferung zufolge sollte Sobieski bei der Unterzeichnung geweint haben. Es scheint allerdings, dass die Tränen des Herrschers nicht durch den Wehmut über Inhalt des unterzeichneten Abkommens hervorgerufen wurden, denn er hatte sich schon längst mit seinen Beschlüssen abgefunden und hielt sie für den Preis, der bezahlt werden muss, um Erfolge auf einem anderen Gebiet zu erzielen. Ich finde weder Quellenbelege, noch plausible Argumente als Unterstützung für die These, Sobieski hätte noch um die Mitte des Jahres 1686 die Möglichkeit der erneuten Verhandlungen über die Modalitäten des durch so viel Mühe ausgearbeiteten und erwünschten Friedens mit Russland ernsthaft erwogen. Diesen zu erreichen erforderte nicht nur komplizierte innenpolitische Maßnahmen, sondern auch politische Aktivitäten außerhalb des Landes, seine Ratifizierung wiederum war im eigentlichen Sinne die Prärogative des gesamten Sejms der Adelsrepublik, nicht nur des Herrschers alleine. Viel mehr war dem Herrscher, der sich auf der Rückkehr von einem Feldzug befand, der seine politischen Hoffnungen erfüllen sollte, in Wirklichkeit aber zur Niederlage wurde, nach der Kampagne von 1686 bewusst geworden, dass die durch ein Kompromiss im Osten erkauften und scheinbar griffbereiten Erfolge sich als nicht vollständig durchsetzungsfähig erweisen oder gar gänzlich verloren gehen können, und das trotz der Vorbereitung der notwendigen - man kann sogar sagen optimalen - Bedingungen für deren Erfüllung. Die reibungslose Funktionalität der Achse Wien – Warschau – Moskau war nämlich in der geopolitischen Wirklichkeit der zweiten Hälfte des 17. Jh. eine unerlässliche Bedingung für einen effektiven Kampf gegen die Pforte. Das war die Genese der Liga: sowohl des polnisch-österreichischen Bündnisses von 1684 als auch der polnischen Bemühungen um Verständigung mit Russland, die in dem Friedensabkommen von 1686 mündeten.

Der Abschluss der beiden Allianzen galt für den König, wie sein Biograf Zbigniew Wójcik in der Analyse eines vergleichbaren Projekts des Hetman Sobieskis aus dem Jahre 1673 treffend bemerkte, weniger als Verwirklichung einer fantastischen Idee der Rei Publice Christianae, viel mehr als eine durchdachte Kalkulation bezüglich der Annahme, das Bündnis mit Wien und Moskau würde ein Fundament für den Erfolg der gegen Bosporus gerichteten Politik bilden [1]. Sobieski machte das zentral gelegene Polen zum Bindeglied dieses Bündnisses, kam damit natürlich den Erwartungen der übrigen Kontrahenten der antitürkischen Kombination entgegen, was allerdings keinesfalls das Gewicht seines Erfolges mindert, viel mehr auf seine Fähigkeit hindeutet, die jeweils aktuelle Konjunktur interpretieren zu können. Der König-Diplomat schuf die Bedingungen, damit der König-Kriegsherr siegen kann und das war der eigentliche diplomatische Erfolg. In der neuen Konstellation war der polnische Herrscher kein Statist, sondern ein wichtiger Akteur, fähig, aus den Erfolgen der Liga Nutzen zu ziehen. Das politische Konzept Johanns III. erwies sich nach Wien sehr einfach und zugleich scharfsinnig, der Herrscher diagnostizierte angesichts der damaligen internationalen Lage treffend, was in dieser Lage für ihn das Wichtigste war – er verstand, dass er nicht in der Lage ist, einen Zwei-Fronten-Krieg zu führen, durch den Entschluss zum Bündnis mit dem Kaiser traf er eine schwierige, doch notwendige Entscheidung, Zugeständnisse gegenüber dem Staat der Zaren zu machen.

Die Vereinigung der Kräfte dreier großen europäischen Staaten gegen das Osmanische Reich resultierte in einem Synergieeffekt, der an das Potenzial des Imperiums heranreichte und dieses sogar übertraf. Nicht zufällig weise ich hier auf die Bedeutung der Achse Wien – Warschau – Moskau hin, denn alle anderen Allianzen bildeten lediglich eine Ergänzung zu diesem Dreierbündnis, das als ein exzellentes Beispiel der europäischen „Realpolitik” galt, einschließlich des chronologisch früher als das russische erfolgten Abkommens mit Venedig und Rom. Die übrigen Verbündeten mochten natürlich wichtig sein, wie etwa das Papsttum, das die Liga finanziell und diplomatisch unterstützte, oder eine besondere Bedeutung für einen Staat des „großen Dreiers” haben, wie Venedig für Österreich, die strategische Achse der Koalition bildeten aber Moskau, Warschau und Wien. Sobieski verstand die Bedeutung dieser Achse und ermöglichte sie, indem er die vom Kreml ausgestellte Rechnung bezahlte, verdiente sich somit den Namen eines Politikers, der über eine Vision verfügte und zugleich den Mut hatte, diese Vision zu verwirklichen.


[1] Z. Wójcik, Wprowadzenie do wystawy [Einführung in die Ausstellung ]In: Rzeczpospolita w dobie Jana III. Katalog wystawy Zamku Królewskiego Archiwum Głównego Akt Dawnych und Biblioteki Narodowej[Rzeczpospolita im Zeitalter Johanns III. Katalog der Ausstellung des Hauptarchivs der Alten Akten und der Nationalbibliothek  im Königsschloss], Warszawa 1983, S. 31.

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