Der Kult der Königs Johann III. in der polnischen Kultur und Tradition
DE EN PL
Musée Palais de Wilanów

Passage to Knowledge

Musée Palais de Wilanów

Der Kult der Königs Johann III. in der polnischen Kultur und Tradition
Jan III-Wil-6024.jpg

Der exzellente Kenner der polnischen Geschichte der Neuzeit Władysław Konopczyński schrieb im Jahre 1921: Wer von uns Polen wird sich im jugendlichen Alter von diesem Hetman und König aus dem Epos nicht angesprochen fühlen, von diesem geharnischten und wunderbar bunten Polonus mit Schnurbart und Kontusz, wen wird er nicht verzaubern, durch das Rasseln der Rüstung, das Winken des Streitkolbens, das Flattern der Fahnen im Winde und das Schallen von Tausenden Federn der Husaren? Wer von uns Reiferen wird nicht wenigstens für eine Weile von der Lyrik der innigsten aller Lieben, die es je in der Geschichte der polnischen Herzen gab, gerührt sein? Und wen von den reiferen Forschern wird nicht die Tragik berühren, die sich in dem Sturz seiner Adlerflügel nach dem Höhenflug offenbart? Es nimmt also kaum wunder, dass die Persönlichkeit Johanns III. Sobieski in der polnischen Kultur und Tradition einen besonderen Platz annimmt und die Fantasie seiner Landsleute in verschiedenen Epochen dermaßen stark beflügelt. Deshalb lohnt es sich auch, genauer zu erfahren, wie König Johann III. von seinen Zeitgenossen betrachtet und wofür er von den nachfolgenden polnischen Generationen verehrt wurde. Zu berücksichtigen sind dabei allerdings der Kontext und die sozialen Bedingungen, die den Raum für die Entstehung und spätere Pflege des Kultes um den Sieger über die Osmanen geschaffen haben.

Zweifellos lässt sich der König Johann III. Sobieski als der Typus des „ritterlichen Sarmaten“ bezeichnen, als die Verkörperung der markantesten nationalen Züge des 17. Jahrhunderts - jener stürmischen Epoche, der er entsprang, gleichzeitig aber auch als Spiegelbild vieler ihrer negativen Seiten und Verfehlungen. Er war ein Sprössling einer Senatorenfamilie, gut ausgebildet und von hohem kulturellem Niveau, mit Weltkenntnissen, die er sich bei der Grand Tour durch Länder Westeuropas und das Osmanische Reich aneignete, sprach ausgezeichnet Latein und Französisch, sowie mehr oder weniger gut Italienisch, Deutsch und Englisch, beherrschte nebenbei auch Tatarisch und Türkisch, vor allem aber fühlte er sich als

als ein polnischer Adliger – als Mitglied der Szlachta. Er wurde zum perfekten Typus des polnischen Adligen samt all seinen Lastern und Tugenden. Im Jahre 1674 auf den Thron gewählt, wurde er zur Versinnbildlichung sämtlicher Träume und Hoffnungen der polnischen Gesellschaft, die im Laufe des 17. Jh. von diversen zermürbenden Kriegen und Konflikten geplagt war. Als der siegreiche Hetman von Chocim aus dem Jahr 1673, später der König – Bezwinger der türkischen Macht bei Wien im Jahr 1683 wurde Sobieski zum Nationalhelden und Anführer, der den christlichen Glauben und sein Vaterland verteidigte. Allmählich rankten sich um seine Person Legenden.

Man muss dabei bedenken, dass im gewissen Sinne der König selbst für die Entstehung dieser Legende mitverantwortlich war. Nicht zufällig nämlich unmittelbar nach dem Ende der Schlacht bei Wien bemühte sich Johann III. seinem Sieg zu einer möglichst großen Resonanz zu verhelfen. Zu diesem Zweck verschickte er an den Papst Innozenz XI. und andere europäische Herrscher ausführliche Berichte über den Ablauf der Schlacht. Im ganzen zivilisierten Europa wurden die ersten Worte seiner Botschaft an den Heiligen Vater bekannt: Venimus, vidimus et Deus vicit (Wir kamen, wir sahen und Gott siegte), eine Paraphrase der Worte, die einst Julius Cäsar gesprochen hatte. Ebenso ließ er die Königin Maria Kazimiera den Brief, den er einen Tag nach der Schlacht an sie in den Zelten des Wesirs verfasst hatte, und der mit den Worten begann: Gott und unser Herr, für ewige Zeiten gepriesen, gab unserem Volk den Sieg und erfühlte es mit Ruhm, von dem die vergangenen Zeiten niemals hörten, in der ganzen Welt als die beste Nachricht veröffentlichen, damit möglichst viele Menschen von der Wiener Viktoria erfahren. Es ist bekannt, dass jener berühmte Brief Johanns III., bereits 1683 in viele Sprachen übersetzt und gedruckt, an fast allen europäischen Höfen gelesen wurde.

Der feierliche Einzug Johanns III. in Krakau fand erst nach dem Ende des Feldzugs am 23. Dezember 1983 statt. Als er die Kathedrale auf dem Wawel betrat, wurde das Danklied Te Deum gesungen, der König befestigte darauf am Grab des hl. Stanislaus den großen Banner des Wesirs, der bei Wien erobert wurde. Ähnliche Feierlichkeiten fanden auf dem ganzen Gebiet der Adelsrepublik statt. Der berühmte Danziger Astronom Johannes Hevelius (1611–1687) nannte dem König zu Ehren das gesamte neuentdeckte Sternbild „Der Schild des Sobieski“ (Scutum Sobiescianum). In Jesuitenschulen und protestantischen Gymnasien wurden unzählige Theaterstücke aufgeführt, die dem Sieg des polnischen Monarchen gewidmet waren.

Der Sieg vor Wien stieß in der zeitgenössischen polnischen Literatur auf große Resonanz. Zur Legendenbildung um König Johann III. Sobieski trug in besonderer Weise eine ganze Plejade von Dichtern und – häufig nicht allzu begnadeten – Panegyrikern bei, die mehr oder weniger geglückt, in Versen oder Prosa, in lateinischer oder polnischer Sprache den Bezwinger der Muselmanen besangen. Mit ihren Werken schufen sie um die Figur des Herrschers eine Aura des Heldentums. Noch zu Lebzeiten als größter Held seiner Zeit geltend, wurde Sobieski auf den Olymp gehoben. Man verglich ihn mit verschiedenen antiken und biblischen Helden, etwa dem römischen Kriegsgott Mars, oder mit Moses, indem man behauptete, der polnische König habe gleich jenem jüdischen Patriarchen sein Volk vor dem Heer des Pharaos, hier also vor den Türken, errettet. Immer wieder stellte man Johann III. in eine Reihe mit so herausragenden Heerführern wie Alexander dem Großen, Pompeius und Julius Cäsar. Wespazjan Kochowski (1633-1700), der als königlicher Geschichtsschreiber am Entsatz von Wien teilgenommen und dieses Ereignis in seinem Poem Das göttliche Werk oder die Lieder des erretten Wiens und anderer Handlungen des Türkischen Krieges, im Jahre 1683 glücklich begonnen beschrieben hatte, erblickte in Sobieski eine schier übermenschliche Potenz, einen neuen Messias, dem die Vorsehung die Mission der Verteidigung der Christenheit anvertraut habe. In zeitgenössischen Berichten und Gelegenheitswerken wurde der Entsatz von Wien häufig auch mit den Kreuzzügen verglichen und als gewissermaßen natürliche Fortsetzung der großen Tradition der Kämpfe des Kreuzes gegen den Halbmond begriffen. Infolgedessen wurde der Bezwinger der Türken als polnischer neuer Gottfried bezeichnet – nach der im Polen des 17. Jahrhunderts populären Figur des Gottfried von Bouillon (1061-1100), des Anführers des Ersten Kreuzzugs und Regenten des Königreichs Jerusalem.

Als Johann III. Sobieski am 17. Juni 1696 starb, wurde dies als nationales Unheil und Ankündigung von Katastrophen begriffen, vor denen, wie man glaubte, allein der Name des Monarchen das Volk behüten könne. An jenem Tag ertönten in ganz Polen von den Kirchtürmen die Glocken über dem frischen königlichen Grab; sie trauerten nicht nur über den sterblichen Überresten des heldenhaften Königs und Kriegsherrn – sie verkündeten auch, dass mit ihm zusammen die Größe und der Glanz der Adelsrepublik der Jagiellonen zu Grabe getragen wird.

Es scheint also, dass eine der grundlegenden Ursachen für die Lebendigkeit des Kults um Johann III. Sobieski in der polnischen Kultur und Überlieferung die Tatsache war, dass er sich als der letzte Monarch herausstellte, der nach den Niederlagen der schwedischen „Sintflut“ Mitte des 17. und vor den historischen Erniedrigungen des 18. Jahrhunderts sowie den düsteren Zeiten der Teilung dem polnischen Volk ein Gefühl der Größe vermittelte. Es nimmt also kaum wunder, dass nach dem Tod des ruhmreichen Herrschers seine Persönlichkeit mit der Zeit immer stärker heroisiert wurde, wobei man die letzten Triumphe der polnischen Streitkräfte hervorhob und allmählich die Schattenseiten der Herrschaft Johanns III. in Vergessenheit geraten ließ.

Zu den wichtigsten Verbreitern der Legende und des Kultes um Johann III. Sobieski im 18. Jh. gehörte Jakub Kazimierz Rubinkowski, königlicher Postmeister, Ratsherr und Burggraf von Thorn (Vgl. separater Artikel über seine Person).

cookies info

✓ Rozumiem