Die Erholungen des alternden Sobieski
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Musée Palais de Wilanów

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Die Erholungen des alternden Sobieski
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Das Diarium des Kazimierz Sarnecki enthält eine detaillierte Aufzeichnung der Alltagsbeschäftigungen Johanns III. Sobieskis in den Jahren 1691 - 1696. Der Autor schildert dabei besonders eingehend die Art und Weise, wie man dem gesundheitlich angeschlagenen König die Stimmung zu heben suchte.

Neben dem Hören von Musik, dem Betrachten von Tänzen der Jugendlichen oder abendlichen Gesellschaftsspielen gehörte eine Fahrt durch die Umgebung zu den bevorzugten Erholung des Königs. Bei Sarnecki lesen wir immer wieder: „Seine Königliche Hoheit fuhr zu einem Ausflug aus“, „Seine Königliche Hoheit und die Prinzen fuhren ins Feld zu einem Ausflug“ oder: „Nach dem Mittagessen unternahmen die Königlichen Hoheiten eine Ausfahrt“. Giovanni Battista Fagiuoli, der den Hof im Jahr 1690 besuchte, vermerkte: „Er fährt in der Regel mit dem Sechsspänner mit zwei oder drei anderen voranfahrenden (nach polnischem Brauch) Wägen, angefüllt mit allerlei Hofstaat. Ihn umgibt eine Wache an den Flügeln beiderseits der Kutsche oder voran reitend.“ Sicherlich waren die Ausfahrten in die Umgebung nicht immer so aufwändig, aber in der Regel dürfte es doch so ausgesehen haben.

Da das Augenlicht des leidenschaftlichen Lesers und Bücherliebhabers mit dem Alter schwächer wurde, lasen ihm seine nächsten Angehörigen häufig die Lektüren vor: „Abends unterhielt die Königin seine Königliche Hoheit circiter zwei Stunden mit Lesen, danach Pater Vota und der Herr Abgeordnete, bis er einschlief und alle das Zimmer verließen.“

Die Hauptunterhaltung war jedoch die Konversation. Unter seinen Residenten bei Hofe schätzte der König zwei Gesprächspartner besonders. Der eine war Melchior de Polignac, Abt von Bonport und Gesandter Ludwigs XIV., der Anfang August 1693 am königlichen Hof eingetroffen war. Sofort ließ er seinen wohlgefüllten Geldbeutel klingeln: „Sobald er hier stand, hieß er sogleich für ein Dutzend Pagen und ebenso viele Lakaien sehr reiche Kleider aus rotem Samt fertigen. Von Person selbst recht schlank, wohl keine dreißig, nur die Nase ziert ihn etwas, und das Haupthaar, trotz des jungen Alters, a parte ergraut. Doch muss in ihm etwas Würdiges und Weises sein, da man ihn in Geschäfte hierher entsandt“, berichtet in einem Brief Kazimierz Sarnecki an seinen Prinzipal. Von da an berichtet Sarneckis Tagebuch fast täglich davon, dass der „französische Gesandte seine Königliche Hoheit mit verschiedenen Diskursen unterhielt“.

Der zweite Lieblingsgesprächspartner war der italienische Jesuit Carlo Maurizio Vota. Der König liebte es, „mit Priester Vota zu sprechen und zu lachen“ (Sarnecki), denn der Jesuit war ein großes Plappermaul“ (Fagiuola). Der französische Höfling François Daleyrac notierte, dass der Monarch schier an Langweile sterbe ohne die Gespräche mit ihm. Ähnliches vermerkte Sarnecki: „Der König unterhielt sich durch Gespräche mit verschiedenen Herrschaften“, aber „sehr fehlt ihm Pater Vota, der schon seit einigen Tagen an Fieber leidet“.

Gerne ließ der König die beiden Gesprächspartner auf sich oder aufeinander los: Seine Königliche Hoheit haben mit Priester Vota oder dem französischen Gesandten über Theologie disputiert, wobei er beiden schwer zu lösenden Fragen vorgeworfen“, notiert Sarnecki.

Der lebhafte Vota verstand es, den König auch anderweitig zu amüsieren. Zu Beginn des Jahres 1693 kehrte er von einer einjährigen Mission nach Rom und Neapel zurück, von der er viele außergewöhnliche „Exponate“ mitbrachte. Da er die Schwächen des Monarchen bestens kannte, begann er mit einer Präsentation von „8 neapolitanischen Stuten“. Diese blieben Sobieski in einem solchen Maße im Gedächtnis, dass er drei Monate später „auf den Vorhof blickend, die neapolitanischen Stuten herbeizuführen befahl, die Priester Vota aus Rom mitgebracht hatte. Sie waren wohl genährt und prächtiger als da sie abgemagert waren.“

Von derselben Reise brachte Vota auch andere Wunderdinge mit, die den König in Begeisterung versetzten. So etwa ein Positiv: „Verschiedene Galanterien zeigte Seiner Hoheit Pater Vota, insbesondere ein Positiv, das nur zu kurbeln war wie ein Wellrad, das iustus gestimmt, Lieder spielt, als ob man mit den Fingern auf ihm spielte, dann auch Schatullen, Bilder und andere Parnathalia.“

Eine andere Leidenschaft Sobieskis waren – wie es sich für einen Soldaten gehört – Atlanten und Landkarten. Er hatte davon in seiner Bibliothek nicht wenige und vergnügte sich gerne damit, sie eingehend zu studieren und – zu korrigieren. Schon aus dem Lager vor Wien berichtete er in einem Brief an Marysieńka: „Mögest du auch wissen, mein Herz, dass alle ungarischen Karten äußerst schlecht sind und man sich aus ihnen kaum informieren kann. Ich habe nur eine einzige gute, und auch die ist, was die polnischen Grenzen angeht, nicht recht vollkommen.“ Daher kam beim König die Angewohnheit, während seiner Feldzüge Ergänzungen und Verbessrungen der zugänglichen Atlanten vorzunehmen (im Jahr 1682 bot er dem französischen Herausgeber von Landkarten Guilllaume Sanson Korrekturen der einschlägigen Karten Polens, der Ukraine, Rutheniens, Ungarns, Transsilvaniens, der Moldau und der Walachei an). Giovanni Battista Fagiuoli, Gast am Hof des Königs, vergaß in seiner Beschreibung des Herrschers nicht zu erwähnen: „Er verfügt darüber hinaus über großes Wissen und ist ein hervorragender Geograf.“ Die kartografischen Interessen Johanns III. teilte auch der italienische Jesuit. „Der König [...] und Pater Vota vergnügten sich mit den Landkarten, die jener mitgebracht hatte und vor dem König ausbreiten ließ“, schreibt Sarnecki.

In der königlichen Bibliothek stellten eine gesonderte Abteilung die Kupferstichbücher dar – Bildbände, wie man heute sagen würde, mit Stichen aus allen möglichen Bereichen. Auch hier erwies sich Pater Vota als unverzichtbar: „nach dem Abendessen kam Pater Vota [...] und brachte mit sich Kupferstiche von Architekturen und Stadtbildern [...]. Später vergnügte er den König mit manchen Diskursen über den römischen Staat.“

Der allseitig gebildete Jesuit verstand es auch, die profaneren Interessen des Königs zu bedienen. Mit einer gewissen Konsternation schreibt Sarnecki, dass ein Teil jener von Vota mitgebrachten Stiche Darstellungen „gemalter Personen, vor allem nackter“ enthielt! Diesen Vermerk pointiert die empörte Interjektion des Autors: pudendas res!” („ein schändliches Ding!“). Ein Ausruf, der übrigens durchaus verwunderlich erscheint. Sarnecki hätte sich nur an den Wänden des Palasts Wilanów oder des Schlosses in Żółkiew (heute Schowkwa, Ukraine) umzusehen brauchen, an denen es von mythologischer Nacktheit nur so wimmelte. Das Alter tötet den Lebensappetit nicht ab. Demselben Geschmack, über den sich die damaligen Moralprediger empörten, verdanken wir die erotischen Zärtlichkeiten in den epistolografischen Geständnissen des jungen Sobieski an Marysieńka.

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