Die Königin als Politikerin in den Augen der Szlachta – Marie Casimire in den politischen Schriften des späten 17. Jahrhunderts
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Musée Palais de Wilanów

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Die Königin als Politikerin in den Augen der Szlachta – Marie Casimire in den politischen Schriften des späten 17. Jahrhunderts
Maria Kazimiera, malarz francuski, XVII w.DUŻY.jpg

Marie Casimire d’Arquien war zwar schön und klug, dennoch erfreute sie sich nicht der Sympathie ihrer Untergebenen. Der Hauptgrund war ihre enorme politische Aktivität, die nicht dem altpolnischen Rollenmodell einer Frau und Königin entsprach. Je kühner Marysieńka in die Welt der Politik eintrat, desto stärker erfuhr sie Kritik von männlicher Seite. Dies belegt die Publizistik aus jener Zeit mit heftigen Angriffen in Zeiten ihres starken Engagements in die Staatsangelegenheiten (zum Beispiel anlässlich von Krönungen, den Versuchen der Inthronisation ihres Sohnes Jakubs oder einer neuen Königswahl). Die Anonymität der Schmähschriften ermöglichte ihren Autoren manche Derbheit. Marie Casimire wurde nicht nur als schlechte Königin dargestellt, sondern auch als untreue Gemahlin und Rabenmutter. Angegriffen wurde sie sowohl als Figur des öffentlichen Lebens als auch als Privatperson, wobei man keine Rücksicht auf die Autorität ihrer Stellung nahm. Ihr Bild war überzeichnet und verzerrend. Die Gegner schrieben der Französin auf dem polnischen Thron enorme Einflüsse zu, während die Macht der Königin in der Adelsrepublik sich auf repräsentative Funktionen beschränkte. Deshalb mussten Herrscherinnen mit größeren Aspirationen – wie Bona Sforza oder Luisa Maria Gonzaga – vor allem hinter den Kulissen wirken.

Marysieńka, die sich lebhaft für Politik interessierte, war schon vor ihrer Krönung der Kritik ausgesetzt. Während Königinnen aus der Habsburger-Dynastie nicht den Unwillen des Adels weckten, mussten Französinnen aus dem Heimatland politischer Intrigantinnen vom Format einer Madame de Chevreuse der Misogynie des Adels begegnen. Die Vorgängerin der Marie Casimire war die allgemein beliebte Eleonore von Österreich, die Gemahlin von König Michael Korybut Wiśniowecki, die die Szlachta durch Sanftheit und Distanz zur Welt der Politik für sich einnahm. Von Marysieńka erwartete man sich Anderes, war sie doch ein Zögling der ihren Untergebenen in schlechter Erinnerung gebliebenen Luisa Maria Gonzaga.

Diese Befürchtungen wurden alsbald bestätigt durch ihr Auftreten am französischen Hof während der Königswahl, die dem Sieger von Chotyn die Krone brachte. Man befand allgemein, dass Hetman Sobieski seine Ansprüche auf den Thron „durch ihre Ambitionen angestachelt“ erhob. Also versuchte man ihre Thronbesteigung nach Möglichkeit zu verhindern. Man versuchte Sobieski zu überreden, die Witwe Wiśnioweckis zu ehelichen, indem man sich auf die Verfassung von 1576 berief, die Konsultationen mit dem Rat des Senats in der Frage der Wahl der Königin vorsah. Dies war von einiger Bedeutung im Kontext der Außenpolitik, insbesondere wenn sie in eine ungewollte Richtung ging, nämlich in Richtung des absolutistischen Frankreich, während Sobieski durch seine rechtzeige Vermählung mit der Geliebten die Senatoren des Einflusses auf die politische Orientierung der Adelsrepublik beraubte.

Aus diesem Grunde versuchten die Gegner des Hofes aufzuzeigen, dass Marie Casimire dieser Ehre nicht würdig sie. Sie warfen ihr, ähnlich wie Sobieski, ihre nichtkönigliche Herkunft vor, auch wenn das Geschlecht der d’Arquien französischen Genealogien zufolge auf Chlodwig, Karl den Großen, Hugo Capet und den heiligen Ludwig zurückgeht. Darüber jedoch schwiegen die politischen Schriften, die die französische Adelige mit Eleonore aus dem mächtigen Haus der Habsburger verglichen.

Das Hauptargument gegen die neue Herrscherin war ihre Einmischung in die Politik. Ihre politischen Aktivitäten wurden als „teuflische Konzepte“, „listige Kunstgriffe“ bezeichnet: Man warf ihr vor, sich auf den Zynismus eines Machiavelli zu berufen. Sie wurde mit Rixa, der ehrgeizigen Gemahlin Mieszkos II., verglichen oder mit Agrippina, die ihre politischen Einflüsse dank ihrer zahlreichen Geliebten gewann. Man kritisierte die Art und Weise, wie sie ihre Politik betrieb: „in den herrschaftlichen Gemächern“ unter Umgehung der Institutionen von Sejm und Senat. Als Beispiel gab man die von ihr 1688 unternommenen Versuche an, ihren Sohn Jakub auf den Thron zu bringen, obwohl dies in Wahrheit ein von langer Hand vorbereiteter Plan der höfischen Partei war.

Ihre Gegner beschrieben voller Argwohn die Methoden der Bildung einer eigenen Hausmacht, die angeblich die Ehefrauen der wichtigsten Würdenträger vereinen sollte, damit diese Einfluss auf die Entscheidungen ihrer Gatten nehmen und zugleich vertrauliche Informationen gewinnen könnten. Man unterstich, dass Marysieńka die Gemahlinnen von Politikern beider Lager mit ihren Gnaden bedachte, um so an die geheimen Pläne nicht nur des Hofes, sondern auch der Opposition zu gelangen. Auf diese Weise erlangte die „polnische Agrippina“ nach Ansicht der Autoren der Pasquillen eine Position, die fast der des Herrschers der Adelsrepublik gleichkam, indem sie unter anderem den Verlauf der Tagungen des Sejm kontrollierte. Ihren Intrigen sollen so bedeutende Politiker erlegen sein wie Kanzler Jan Wielopolski, der Posener Bischof Jan Witwicki, der Kastellan von Wilna Bogusław Słuszka oder der Anführer der königlichen Partei Antoni Szczuka.

Den größten Einfluss habe die Königin nach Meinung der Unzufriedenen auf ihren Gemahl, den unglücklichen „Mars Polonus“, der von den Reizen der „Aurora“ fasziniert, allen ihren Wünschen entspräche. Zudem habe er ihr gegenüber ein Dankesschuld für ihre Hilfe bei der Erlangung der Krone der polnisch-litauischen Adelsrepublik. Deshalb baten die Autoren der Schmähschriften den Monarchen, endlich die Wahrheit zu erkennen und den Weiberherrschaft das Ende zu bereiten. Der „Löwe von Lechistan“ wiederum schien die Handlungen seiner Ehefrau gutzuheißen, die – wie es hieß – sich ihr hörige Kreaturen schuf. Zu diesem Zweck soll sie Politiker mit verschiedenen Posten gelockt haben, die nicht nur mit Bargeld, sondern auch mit Kostbarkeiten und schönen Gewändern aufgewogen werden musste. In Wirklichkeit aber entschied über die Besetzung von Ämtern der Monarch selbst, wobei er sich nach streng politischen und finanziellen Kriterien richtete.

In den politischen Schriften tauchte zudem das Argument auf, dass die Königin bei ihren politischen Wahlentscheidungen Verwandte und Landsleute begünstige, wovon die glänzenden politischen Karrieren ihres Vaters und ihres Bruders sowie die guten Heiraten ihrer Schwestern zeugen würden. Tatsächlich umgab sich Marie Casimire mit Personen, die ihr nahe standen, und sorgte für ihr Wohlergehen, dabei stärkte sie aber zugleich immer auch die Position der königlichen Familie. Dies war einer der Gründe für ihren hartnäckigen Kampf um den Kardinalshut für den Marquis d’Arquien, der zu Spannungen in den Beziehungen mit Ludwig XIV. führte. Wie einer der Biografen der Königin treffend feststellte: Die große Politik war bei ihr mit persönlichen Angelegenheiten verquickt.

Diese spiegelten sich auch in der Hausmachtpolitik der Sobieskis wider, was heftige Emotionen bei ihren Gegnern hervorrief. Marysieńka suchte energisch in ganz Europa nach den besten Ehekandidaten für ihre geliebten Kinder. Ihre Bemühungen setzten sie dem Vorwurf aus, sie wolle die Herrschaft über die Republik mithilfe des ihr untertänigen Sohnes an sich reißen. Im Laufe der Zeit jedoch, als sie in Konflikt mit dem „aus der Art geschlagenen Jakub“ geriet, gelangte sie in den Ruf einer Rabenmutter, die sich nur auf die eigene Karriere, also auf die Suche nach einem neuen Ehemann für sich selbst konzertiert.

Die Angriffe auf die gescheiterte Gründerin eines neuen Herrscherhauses verstärkten sich nach dem Tode Johanns III., da man erwartete, sie werde neben dem neuen Herrscher den Thron besteigen, etwa Hetman Jabłonowski, dem sie angeblich die Einkünfte aus ihren Gütern in Żółkiew (heute Schowkwa, Ukraine) versprach, oder ihren Kandidaten, den Kurfürsten von Bayern Max Emanuel oder einen der jüngeren Prinzen auf dem Thron installieren würde. Deshalb versuchte die Opposition während des Interregnums die Meinung der Szlachta gegen sie aufzubringen, indem man ihr die Fehlentscheidungen ihres verstorbenen Gemahls zuschrieb. Die Vorwürfe waren absurd. Man beschuldigte sie etwa der Nichteinhaltung geschlossener Vereinbarungen (auch wenn diese eigentlich der König getroffen hatte), aber auch der Entfachung eines Konflikts zwischen dem Bischof von Wilna Konstanty Brzostowski und dem litauischen Großhetman Jan Sapieha (obwohl sie in Wirklichkeit alles dazu tat, den Streit beizulegen).

Der beträchtliche politische Einfluss der Königswitwe weckte den Unmut der Opposition in einem solchen Maße, dass man versuchte, sie loszuwerden. Die Autoren der Schmähschriften versuchten sie mit einem Aufstand der Szlachta, einem außerordentlichen Sejm oder sogar der Verbannung zu schrecken oder verfassten Satiren, in denen sie grausam verhöhnt wurde. In einem fingierten Dialog offenbarte die gealterte, runzelige Mutter ihre Pläne zur Erlangung der Krone – und sei es um den Preis einer weiteren Niederkunft oder der Vermählung mit einem Juden.

Dies waren nicht die einzigen Argumente in Form von Angriffen ad personam. Die schöne Französin, die gewagte Kleider nach ausländischem Zuschnitt trug, wurde von Anfang an zahlreicher Liebschaften verdächtigt, unter anderem mit dem erwähnten Kronreferendar Szczuka, dem Herzog von Kurland Ferdinand Kettler oder dem Unterschatzmeister der Krone Benedykt Sapieha. Obwohl die zärtliche Korrespondenz zwischen den Eheleuten ihre starken Gefühle füreinander belegt, stempelten die politischen Gegner die Königin zu einer enthemmten Frau, die ein Doppelleben führte und den naiven Sobieski betrog: Man warf ihr vor, allzu rasch die Trauer nach dem Tode ihres ersten Ehemanns aufgegeben zu haben. zugleich kritisierte man ihre schwindende Schönheit, „die welke Brust, den trägen Blick, den schlaffen Hals“.

Wie reagierte auf diese durch politische Schriften im ganzen Land verbreitete Kritik der Hof mit dem Monarchen an der Spitze? Johann III. Sobieski vermied es, genauso wie wenn es um ihn selbst ging, die Beteiligung an politischen Streitigkeiten, die gegen die Würde von Personen, die die wichtigsten Staatsämter bekleideten, verstießen. In der königlichen Ikonografie trat Sobieskis Auserwählte mal als anmutige Aurora auf und mal als schöne Gaia-Rhea: die stolze Gründerin einer neuen Dynastie. Manchmal kam es vor, dass der König, vielleicht mobilisiert durch seine gekränkte Frau, befahl, eine Antwort auf die Schriften der Opposition zu verfassen. Die Autoren solcher Repliken bemühten sich, das Bild der Marysieńka gemäß dem geltenden Muster der guten Königin zu entwerfen. Sie versuchten die öffentliche Meinung der Szlachta zu überzeugen, das Marie Casimire eine gute, liebende und ihren Mann unterstützende Ehefrau sei, fromme Katholikin und eine Königin, der das Schicksal ihrer Untertanen am Herzen liege. Sie versicherten, dass sie – im Gegensatz zu anderen Damen von hohem Geblüt – nicht die Zeit vor dem Spiegel verschwende, sondern sich als Patriotin um die Geschicke des Staates kümmere. Sie wurde als Mater patriae dargestellt und betonte, dass sie keine Französin mehr sei, sondern eine Polin, die Streit und Zwistigkeiten im Vaterland zu schlichten suche.

Nicht alle diese Ansichten entsprachen voll und ganz der Wirklichkeit – Marysieńka war für ihr heftiges Temperament bekannt und dafür, dass ihre Sorge für das Vaterland weit über die Vorstellung der Szlachta hinausreichte. Die Befürworter der Königin bezogen sich also nicht auf die Vorwürfe bezüglich ihrer politischen Tätigkeit, sondern beließen es mit der allgemeinen Feststellung, dass sie im Interesse ihrer neuen Heimat handele und den König zeit seines Lebens unterstützt habe. Sie verteidigten sie nicht, sondern nannten positive Argumente, etwa ihr Engagement für das Thetaerleben bei Hofe. Leider zeigte die Zeit, dass die kleinlichen und häufig wiederholten Argumente der Opposition wirksamer waren – Marie Casimire bekam eine schwarze Legende verpasst, gegen die noch heute anzukämpfen ist.

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