Georg Franz Kulczycki – Gründer des ersten Wiener Kaffeehauses
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Musée Palais de Wilanów

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Georg Franz Kulczycki – Gründer des ersten Wiener Kaffeehauses
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Georg Franz Kulczycki (poln. Jerzy Franciszek Kulczycki, eigentlich Kolczycki bzw. Kólczycki, ca. 1640 – 1694), Dolmetscher für türkische Sprache und Dragoman der Orientalischen Handelskampagne, hielt Einzug in die polnische und österreichische Geschichte sowohl als heldenhafter Kundschafter aus dem im Jahre 1683 belagerten Wien als auch als Gründer des ersten Wiener Kaffeehauses.  

Den zeitgenössischen Quellen zufolge hielt sich Kulczycki „für einen gebürtigen Polen”, der aus der „freien polnischen Königsstadt Sambir stammte”. Er entstammte vermutlich einer polonisierten, römisch-katholischen Linie der ursprünglich ruthenischen Familie Kólczycki aus dem Dorf Kulczyce bei Sambor (ukr. Sambir), wohl aus deren adligem Zweig, welcher der Wappengemeinschaft Lis angehörte. Dennoch wurde Kulczyckis Nationalität mitunter zum Gegenstand von Streitigkeiten. Ukrainische Forscher halten ihn für einen Ukrainer christlich orthodoxen Glaubens, für einen Saporoger Kosaken, der an viele Kriegszügen gegen die Türken teilnahm und zwei Jahre in der Gefangenschaft verbrachte; österreichische und ungarische Wissenschaftler hingegen identifizieren ihn mit dem Serben Djuro Kolčic aus Zombor und halten seine Bekennung zur polnischen Abstammung für ein Tarnmanöver. Über Kulczyckis Jugend ist so gut wie nichts bekannt, bis auf die Tatsache, dass er nach Wien eben aus Serbien kam. Neben Türkisch beherrschte er auch Ungarisch, arbeitete deshalb als Dolmetscher im Belgrader Kontor der Orientalischen Handelskampagne, einer Gesellschaft der Wiener Kaufleute für den Handel mit dem Osten. Als selbständiger Kaufmann für orientalische Waren ließ er sich in Leopoldstadt bei Wien nieder. Während der Belagerung der kaiserlichen Hauptstadt (Juli 1683) erklärte sich Kulczycki nach fünf Wochen der Kämpfe und in Absprache mit dem Bürgermeister und Oberbefehlshaber der Verteidigung Grafen Starhemberg bereit, sich als türkischer Soldat zu verkleiden und verließ am späten Abend des 13. August die Stadt, um Hilfe zu holen. Er passierte problemlos das türkische Lager und erreichte am Morgen, den 15. Tag dieses Monats, den Herzog Karl V. von Lothringen, kehrte dann mit dessen schriftlicher Antwort über denselben Weg zurück. Diese Heldentat brachte ihm Ruhm und materielle Vorteile: er erhielt das Wiener Bürgerrecht und ein Baugrundstück an der Stelle des heutigen Kleinen Bischofspalais; außerdem wurde er in den Rang eines kaiserlichen Dolmetscher für die türkische Sprache erhoben (1684).

Unmittelbar nach der Schlacht gegen die Türken sollte Kulczycki die erbeuteten Säcke mit den Kaffeesamen erhalten haben, die Kara Mustafa zurückgelassen hatte, der Tradition zufolge wurden ihm diese von Johann III. Sobieski persönlich ausgehändigt. Diese Vorräte, die von den Siegern für Kamelfutter gehalten wurden, dienten dem Wesir als Aufputschmittel, mit dem die Kondition seiner Soldaten in der Schlacht und die Arbeitsleistung der Mienenarbeiter verbessern werden sollte. Kulczycki eröffnete in der Domgasse 6 das erste Kaffeehaus von Wien. Das bitter-herbe Kaffeegetränk stieß anfangs auf wenig Begeisterung, was sich allerdings änderte, als der Besitzer den Kaffee mit Honig, später mit Zucker versüßte und schließlich mit Milch zu servierten begann.

Mit der Zeit entwickelte sich Wien zur Welthauptstadt der Kaffeehäuser (und genießt diesen Rang bis heute), Kulczycki wurde indes zum Patron der städtischen Kaffeesieder. Sein in Öl angefertigtes Bildnis schmückte den Versammlungsort der Zunft, auf dem alten Zunftbanner war die Szene der Verleihung des Privilegs für den Kaffeeausschank durch den Kaiser Leopold I. an Kulczycki dargestellt. 

Die erhaltenen Bildnisse Kulczyckis, der übrigens auch unter dem Namen Georg Franz Kolsitzky bekannt war (und an Tuberkulose verstarb) zeigen ihn stets in türkischer Tracht, mit einem Horn in der Hand und einem Beutel am Gürtel, in einem Raum mit vergittertem Fenster im Hintergrund stehend. Ein in den Beständen der Polnischen Nationalbibliothek aufbewahrter deutscher Kupferstich eines unbekannten Autors, angefertigt nach 1683, wiederholt vermutlich – wie viele andere grafische Werke – den Wiener Urtypus in Öl aus der Epoche, dessen Autor ebenfalls unbekannt ist. Das Konterfei ergänzt eine Inschrifttafel, die sich auf die Heldentat Kulczyckis bezieht.

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