Johann III. Sobieski als Gofred
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Musée Palais de Wilanów

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Johann III. Sobieski als Gofred
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Irena Komasara hat Johann Sobieski einmal treffend als Büchernarr bezeichnet, In seiner reichen königlichen Bibliothek, in der sich über 140 literarische Werke befanden, dominierte – wie in andreren alten Sammlungen – das klassische Schrifttum. Reich vertreten war die französische und italienische Literatur, während nur fünf Bände zur einheimischen Literatur zählten (und das sowohl in polnischer als auch lateinischer Sprache). Darunter befand sich eine von Piotr Kochanowski angefertigte Übersetzung des epischen Poems Gofred oder das befreite Jerusalem von Torquato Tasso. Die Sonderstellung eben diese Werks ist keineswegs verwunderlich angesichts des einer Rezeptionsgeschichte im 17. Jahrhundert.

Die Übersetzung des italienischen Epos erschien erstmals 1618 in der Krakauer Druckerei von Franciszek Cezary. Der polnische Übersetzer änderte den Titel: Während das italienische Original (Gerusalemme liberata) sich auf die Befreiung Jerusalems während des 1. Kreuzzugs unter der Führung des Gottfried von Bouillon (1096–1099) bezog, rückte in der polnischen Übersetzung der Held – Gofred – an erste Stelle, der hier als frommer Hetmann bezeichnet wird. Das Werk erfreute sich von Anfang an eines enormen Interesses bei den Lesern und wurde vor allem als Poem über den frommen Krieg begriffen, auch wenn die Taten der Helden von Romanzen begleitet waren. Diese Rezeption hatte einen deutlich aktualisierenden Charakter, der die Verteidigung der Christenheit im Kampf gegen die Ungläubigen direkt auf die Lage der Adelsrepublik bezog, die als Vormauer der Christenheit (Antemurale christianitatis) bezeichnet wurde und gerade in die Zeit der härtesten Auseinandersetzungen mit dem ottomanischen Imperium eintrat.

Ausdruck einer solchen Interpretation des Werks von Tasso und Kochanowski ist das Gedicht An Piotr Kochanowski, den Autor der Übersetzung des Gofred des Dichters Olbrycht Karmanowski, in dem das Lob des Dichters mit folgenden Wünschen schließt:

„[...] rühmen Deine Reime,

mag es auch andere geben, doch nicht von ihnen spreche ich,

mit denen Du die Goldenen Ritter besungen,

Die das Heilige Grab den Heiden entrungen.

Wohl sind nach ihrem Beispiele jene aufgestanden,

Christusritter, denen das Kreuz nur Zierde ist,

Aber bei denen man den Willen zum Kampfe vermisst.“

Unabhängig davon, ob diese Worte als Anspielung auf die Ritter der Malteserordens zu verstehen sind, die Mäntel mit dem Kreuzeszeichen trugen, oder überhaupt auf Ritter, die sich des Kreuzes nur als Zierde bedienten, ist dies ein unmittelbarer Aufruf zur Tat im Namen derselben Ideale, wie sie im Gofred zum Ausdruck kommen. Der Dichter Wespazjan Kochowski berief sich – einiges später – in seinem Gedicht An die christlichen Monarchen ein nachbarliches Quamquam, einem poetischen Aufruf an die Herrscher Europas aus dem Band Nicht müßiger Müßiggang, ebenfalls auf das Vorbild der Befreier von Jerusalem:

„O Goldene Zeiten, die nie ihr vergeht,

Da unter dem Zeichen des kühnen Gofred,

Europa am Heiligen Grabe in einigem Zug,

Wohlan den bösen Sarazenen schlug.“

Der deutlichste Beweis für die Übertragung des Ideengehalts des Poems auf die polnische Wirklichkeit sind seine weiteren Ausgaben (in den Jahren 1651 und 1687), in denen der Drucker auf dem Titelblatt die Bezeichnung „Eine Lagergeschichte“ angab und auf der Titelseite die Formel „Um des edlen Rittertums Spiels wegen nachgedruckt“. Der Verweis auf einen zweiten Gofred in der Person des Polenkönigs ist eine Fortsetzung dieser Rezeption.

Die Anspielungen auf Gofred sind vor allem mit dem Entsatz von Wien verbunden, aber sie begleiteten die Figur des siegreichen Monarchen schon früher. Noch im Jahr 1676 sprach der damalige Mitarbeiter des Königs, der Kastellan von Posen Krzysztof Grzymułtowski in einem Votum auf dem Landtag von Schroda: „SKH hat wohl in assistentia angelum [einen Schutzengel zur Hilfe], gleich jenem, von dem mag es wahr sein oder fabulatur [erdacht] in seiner Geschichte vom Gottfried Torquatus erzählt, daß er aus dem Himmelsarsenal einen diamantene Schild gezogen, damit dimicantem [] pro Christo [den für Christus kämpfenden] Ritter gedeckt; solchermaßen der nicht mehr diamantene, jedoch gentilicio scuto [das Adelswappen aufweisende Schild] SKH, seine herrliche Person und damit uns alle tuetur [verteidigt] und schützt, daß sogar die stärksten Mächte daran zerbrechen.“

Der Redner bezieht sich hier auf eine Episoden aus dem 7. Gesang des Poems, in dem ein Engel den gegen Argant kämpfenden Raimund durch einen wundersamen Buckler abschirmt. Die Gleichsetzung des Monarchen mit der Figur des christlichen Helden und seines Wappens mit dem Wunderschild diente deutlich dem Ruhm und der Apotheose nicht nur der Kriegstugenden Sobieskis, sondern auch seiner Taten, die ebenfalls die ebenfalls besonderen göttlichen Schutz verdienten.

König Johann III. besaß den Gofred nicht nur in seiner Bibliothek, sondern er kannte das Poem und die Assoziation mit Gottfried von Bouillon. Dessen frommen Kampf muss ihm entsprochen haben. Als er am 13. September 1683 nach der Schlacht noch aus dem Feldlager an Marysieńka schrieb, verglich er seine siegreiche Armee mit dem Kreuzzug, den „le grand Gofred“ ins Heilige Land geführt hatte. Vor Wien begleitete den König auch sein Hofgeschichtsschreiber Wespazjan Kochowski, der beabsichtigte, ein großes episches Werk zu schaffen, dass sich in seiner Form an das Epos von Tasso/Kochanowski berufen sollte (so übernahm er die Versform der Stanze) und Sobieski zum Verteidiger des christlichen Glaubens, einen zweiten Gofred erklärte, der einen neuen Feldzug gegen die ganze Christenheit führen sollte. Schon in seinem Vorwort seines Das Werk Gottes oder die Gesänge des befreiten Wien (1684) nennt er ihn einen „kühnen Gotyfred“, und in der Stanze LII stellt er den Türkenkrieg den Zeiten der siegreichen Kreuzzüge gegenüber:

„Wie einst die Gläubigen gegen die Heiden trugen

Mit dem tapferen Gotyfred ihre Fahnen;

[...]hier dem österreichischen Illion

zu Hilfe eilte der Polen Sohn.“

Kochowskis Werk blieb unvollendet. Vielleicht erlaubte es die Wirklichkeit – die weiteren Geschicke des Feldzugs und die spürbare Vereinsamung des Königs – ihm nicht, die Arbeit nach der ursprünglichen Idee fortzusetzen.

Nach der Rückkehr des Monarchen in die Heimat fand die bekannte Begrüßung des Siegers in Krakau statt, unzählige Ruhmeslieder wurden ihm zu Ehren gesungen. Im Jahr 1685, noch in der Zeit der unmittelbaren Reaktion auf den Sieg, wurde der rühmende Vergleich der Taten des Königs mit dem großen Helden des christlichen Abendlands in einem Schultheater der des Warschauer Jesuitenkollegiums aufgegriffen. Das Stück Imago victoriae a Ioanne III in Godifredo Bullonio adumbrata zeigte in sechs Akten parallele Szenen aus der Geschichte Gottfried von Bouillons und Johanns III. Auch in diesem Fall konnte die literarische Parallele trotz des deutlichen persuasiven Zwecks die politische Bewertung der Ereignisse nicht mehr beeinflussen. Die Idee des frommen Krieges, die Bestandteil der sarmatischen Idee war und ähnlich wie andere dazu gehörige Überzeugungen Ausdruck und Unterstützung in der Literatur gefunden hatte, war im Europa des 17. Jahrhunderts nur noch ein fernes Echo aus einer anderen Welt. Ebenso stempelte die Bezeichnung „kühner Gotyfred“ Sobieski eher zu einer Persönlichkeit aus einer abgeschlossenen epischen Epoche, als dass sie eine aktuelle politische Botschaft transportiert hätte.

Die Assoziation Johanns III. mit Gottfried von Bouillon hat sich dennoch in der polnischen Tradition festgesetzt. Wenn Gustav im 4. Teil von Adam Mickiewiczs Totenfeier sich an seine Lehrjahre erinnert, zählt er die Lektüren auf, die seine Vorstellung durch den Traum von Heldentaten beflügelt hatten. Neben den Epen von Homer und Tasso Taucht König Sobieski als gleichberechtigter Held der großen epischen Vergangenheit auf:

„Dort ging ich zum Hain des Abends oder bei Tage,

Um Homer zu besuchen, mit Tasso zu sprechen

Oder Johanns Sieg vor Wien zu betrachten.“

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