© Muzeum Pałacu Króla Jana III w Wilanowie
Silva Rerum   Silva Rerum   |   18.02.2016

Adelige Bürger und adelige Freiheiten

Der Szlachta war sich ihrer Bedeutung als politisches Subjekt im polnischen Staat wenigstens theoretisch bewusst. Dafür gibt es einen interessanten Beweis, als zur Zeit des ersten Interregnums, im Juli 1572 der Adel des Kreises Bełz zusammen kam, um eine Konföderation zum Schutze der res publica zu schließen. Demnach wurde diese noch vor den zentralen Entscheidungen des Kronrates beschlossen. Die Zusammenkunft ereignet sich ähnlich wie in der benachbarten Woiwodschaft Ruß ganz spontan. Der Tag wird von den adeligen Bürgern zum eigenen Schutz einberufen, wobei man die Bezeichnung „eigenen“ nicht im Sinne des partikulären Egoismus eines „ich“ verstehen, sondern als eine Interessengemeinschaft, eine gemeinsame Sache, die Republik des Adels, bzw. Adelsrepublik verstehen soll.

In der genannten Quelle ist Folgendes zu lesen: Nachdem uns die Kunde unseres Kastellans über das Ableben seiner Majestät dargebracht wurde wissend, welchen Gefahren unsere Republik in dieser Zeit ausgesetzt ist und aus Liebe über das Wohlergehen der Republik nachdenkend, sind wir frei und aus eigenem Willen am einundzwanzigsten Juli in der Stadt Belz zusammen gekommen, um nach der Sitte unserer Vorfahren einen Entschluss unter Eid zu fassen und ein Bündnis für das Wohlergehen und zum Erhalt der Einheit der Republik, der ihr angehörenden Gebiete und für unseren eigenes Hausfrieden zu beschließen.

Es existiert auch die bis heuten nicht publizierte Chronik über Sigismund August, der in Knyszyn verstorben ist, die von den Ereignissen dieser Zeit handelt. Sie stellt ein weiteres Zeugnis der Sorgfaltspflicht des Adels. Es handelt sich um eine wenige bekannte Zusammenkunft des Adels, zu dem Szlachta völlig spontan (aus Neugier? um Ordnung zu bewahren? – das kann ich nicht mit Sicherheit entscheiden) sich in Koprzywnica einfindet um zu helfen und die Senatoren dazu zu bewegen, die kaiserliche Gesandtschaft, mit dem sie verhandeln, aufzuhalten. Die Zusammenkunft des Adels (wer hat sie einberufen?) ist ein bedeutendes Zeugnis für die Existenz der adelig-bürgerlichen Sorge für den Staat. Einen noch deutlicheren Beweis stellt ihr Druck, die früher ausgearbeiteten Richtlinien der Verhandlungen zu befolgen dar, den sie auf die schon schwankenden polnischen Unterhändler ausgeübt haben. Im Endeffekt unterliegen die Senatoren dem Willen der Szlachta und zwingen die Gesandten, sich nach ihnen zu richten. Ein weiteres Beispiel der adelig-bürgerlichen Gewissenhaftigkeit stammt ebenfalls aus mit Spannung geladener Zeit. Die Aktion spielt sich auf der Burg Tykocin ab, der von einem gewissen Rittmeister Bielecki verwaltet wird. Die Senatoren versuchen ihn zu dazu zu bewegen den königlichen Leichnam und sie selbst ins Schloss zu lassen. Aber der Burgvorsteher hat dem verstorbenen König sein Ehrenwort gegeben, mit Ausnahme der Schwester des Königs, der Prinzessin Anna, keinen in die Burg zu lassen. Es ist interessant die Verhandlungen der Senatoren mit dem Rittmeister zu lesen, der mal bedrängt, mal eingeschüchtert und auf verschiedene Weise belästigt wurde. Irritiert unterbrach er endlich die verbalen Spiele und sagte, er sei Diener der Krone, ein Adeliger, der seine Freiheiten und Rechte kennt und sein Ehrenwort gegeben hat. Deshalb wird er nicht nachgeben. Danach sprach er mit Senatoren durch das Burgtor und kam nicht zu ihnen heraus. Die Senatoren mussten letztendlich seinen Willen anerkennen.

Es lassen sich sehr viele Beispiele dieser Art zitieren. Wie bereits an anderer Stelle gezeigt, die adeligen Privilegien sicherten zugleich adelige Pflichten und Freiheiten. Vor der Königswahl im Jahre 1573 alle adeligen Bürger bemühten sich, um Ordnung in jene zu bringen, schlechte zu beseitigen oder zu korrigieren, neue zu beschließen und den neuen König in ein geordnetes Heim „einzuladen“. In diesem bürgerlichen Programm zeigte sich eine eigensinnige und „schlaue“ Tendenz, um dem „rasenden Hengst Zaumzeug anzulegen“, denn behüte uns Gott, der Königskandidat könnte aus einem Staat stammen, in dem monarchistische Traditionen stärker waren als in der Adelsrepublik (Rzeczpospolita). Spricht man von wichtigsten adeligen Privilegien, muss man wenigsten zwei Dokumente nennen: das Privileg neminem captivabimus und die Verfassung nihil novi. Das erste Dokument sicherte die persönliche Unantastbarkeit eines adeligen Bürgers, das zweite bestätigte die Existenz der regionalen Landtage – Sejmiki, einer im politischen Leben der Adelsrepublik (Rzeczpospolita) wichtigsten, jedoch in der Hierarchie der gemeinschaftlichen Beschlussfassung untersten Institution.

Die Ursache für die enorme Bedeutung der regionalen Landtage – Sejmiki war die innere Überzeugung der Szlachta, dass jeder, der sich für einen adeligen Bürger hielt, an den für die Gemeinschaft grundlegenden und wichtigsten Entscheidungen ohne Rücksicht auf Bildung oder Wohnort teilnehmen konnte.